Schwieriger Berufseinstieg nach Kinderkrebs

In der Schweiz erkranken jedes Jahr rund 350 Kinder und Jugendliche an Krebs. Ihre Überlebenschancen sind gut, aber oft beeinträchtigen die Spätfolgen ihre beruflichen Perspektiven.

Aktuell leben hierzulande über 7000 Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend eine Krebserkrankung überlebt haben. Aufgrund der hohen Heilungsraten wird diese Zahl in Zukunft sehr wahrscheinlich steigen. Das bedeutet auch, dass eine wachsende Anzahl von jungen Überlebenden auf der Suche nach passenden Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten ist.

Ein wichtiger Schritt im Leben

Die Suche nach einer Lehrstelle, die Wahl eines Studiums und der erfolgreiche Einstieg ins Berufsleben sind für junge Menschen grundlegende Schritte, um am sozialen und wirtschaftlichen Leben teilnehmen und später ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben führen zu können. «Als Kind oder Jugendlicher in den entscheidenden Jahren der körperlichen und psychologischen Entwicklung von einer lebensbedrohlichen Krankheit wie Kinderkrebs betroffen zu sein, kann physische und psychische Spuren hinterlassen, die eine Eingliederung in die Arbeitswelt nicht immer einfach machen», erklärt Valérie Braidi-Ketter, CEO von Kinderkrebs Schweiz.

So sind Kinderkrebs-Überlebende aufgrund der Spätfolgen oft mit Schwierigkeiten im Berufsleben konfrontiert. Sie fallen häufig durch die Maschen des Systems. Entweder reicht ihre Leistungsfähigkeit nicht ganz für den ersten Arbeitsmarkt oder sie sind aufgrund ihrer Kapazitäten auf dem zweiten Arbeitsmarkt unterfordert. Besonders gefährdet sind Kinder und Jugendliche mit einem Hirntumor.

Hürden für Menschen mit Beeinträchtigungen

Während es Überlebenden mit keinen oder geringen Spätfolgen gut gelingt, einen passenden Ausbildungsweg zu finden und erfolgreich in die Arbeitswelt einzusteigen, stehen Betroffene mit Spätfolgen oft vor Hürden. Einige finden keine passende Lehre oder sind gezwungen, ihre Ausbildung abzubrechen. Andere steigen mit einem reduzierten Pensum in den Beruf ein, weil mehr für sie nicht möglich ist. Damit ergeht es ihnen wie vielen anderen Menschen mit Beeinträchtigungen.

Beeinträchtigungen nach Kinderkrebs

Häufige Beeinträchtigungen nach Kinderkrebs sind:

  • Körperliche Einschränkungen
  • Chronische Müdigkeit (Fatigue)
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Psychosoziale Probleme
  • Geringere Belastbarkeit

Auch wenn den meisten der Einstieg ins Berufsleben erfreulicherweise gelingt, zeigt die Erfahrung, dass viele Jahre später ein Einbruch kommen kann. «Manche stehen mitten im Berufsleben, haben vielleicht eine Familie gegründet, und plötzlich lässt die Leistungsfähigkeit nach. Das kann dazu führen, dass ein bereits reduziertes Arbeitspensum weiter verringert werden muss oder eine Erwerbstätigkeit gar nicht mehr möglich ist. Wenn die gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht frühzeitig bei der Invalidenversicherung (IV) angemeldet wurden, oder eine Teilrente zur Existenzsicherung nicht ausreicht, können Betroffene in eine finanzielle und persönliche Notsituation geraten.» Dies sagt die Nachsorgespezialistin Dr. med. Eva Maria Tinner.

Unsicherheit bei Betroffenen und Arbeitgebern

Geht es um die Beschäftigung von Menschen mit Beeinträchtigungen, herrscht Unsicherheit sowohl bei den Betroffenen als auch den Arbeitgebern. Arbeitgeber tendieren dazu, Bewerber*innen ohne Leistungseinschränkungen den Vorzug zu geben, weil sie sonst Nachteile für ihr Unternehmen befürchten.

Überlebende von Kinderkrebs wissen häufig nicht, wie sie bei einem Vorstellungsgespräch mit ihrer Vorerkrankung umgehen sollen. Aus Angst vor Stigmatisierung erwähnen manche ihre medizinische Vorgeschichte lieber nicht, solange die Spätfolgen nicht (allzu) sichtbar sind. Dabei könnten sie Kompetenzen wie Resilienz, Zielstrebigkeit oder Durchhaltevermögen, die sie aufgrund der Krankheit erworben haben, in die Waagschale werfen.

Welche Rechte habe ich, wenn ich mit einer Beeinträchtigung arbeite?

Menschen mit Beeinträchtigungen dürfen bei der Arbeit nicht diskriminiert werden, sondern sollen vielmehr gefördert werden. Erfahre im Artikel «Arbeiten mit einer Beeinträchtigung – deine Rechte» mehr dazu!

Versorgungslücken bei der beruflichen Integration

Das Schweizer Sozialsystem ist komplex. Oft fühlen sich die Betroffenen überfordert und alleingelassen, wenn Probleme bei der beruflichen Integration auftauchen. Betroffene und ihre Eltern beklagen häufig ein grosses Informationsdefizit hinsichtlich der vorhandenen Unterstützungsmöglichkeiten und der Fragen im Zusammenhang mit der Invalidenversicherung. Eine präventive, juristische Beratung und eine umfassende medizinische Abklärung vor Beginn der Ausbildung oder zum Einstieg ins Berufsleben könnten helfen, wichtige sozialversicherungsrechtliche Aspekte zu beachten und Fehlorientierungen in Bezug auf die Berufswahl zu vermeiden.

Kostenlose Beratung durch Kinderkrebs Schweiz

Damit die Integration in die Arbeitswelt auch langfristig gelingt, bedarf es zudem berufsbegleitender Coaching- sowie Rechtsberatungsangebote, wenn aufgrund der Spätfolgen weitere Schwierigkeiten auftauchen und es vielleicht um eine berufliche Neuorientierung geht. Solche spezifischen Unterstützungsangebote könnten dazu beitragen, dass Überlebende bessere Chancen erhalten, einen für sie passenden Platz in der Arbeitswelt finden und dadurch an Eigenständigkeit sowie Lebensqualität gewinnen.

Kinderkrebs Schweiz begegnet diesen Problemen. Die Organisation unterstützt Betroffene bei sozialversicherungsrechtlichen und berufsbezogenen Fragen professionell. Die Beratungsangebote sind kostenlos.

Kinderkrebs Schweiz

Der Dachverband Kinderkrebs Schweiz (KKS) wurde 2015 von namhaften Kinderkrebsorganisationen gegründet. Im Fokus der Tätigkeiten steht der gemeinsame Kampf gegen Krebserkrankungen und deren Spätfolgen bei Kindern und Jugendlichen mit dem Ziel, die Situation der Betroffenen schweizweit zu verbessern. Dazu gehören die Optimierung der Behandlungsmöglichkeiten, die Entwicklung neuer und für alle zugänglicher Therapien und Medikamente, eine bessere psychosoziale Betreuung der betroffenen Familien sowie eine optimale Nachsorge und Betreuung für Kinderkrebsüberlebende, die Survivors. Kinderkrebs Schweiz engagiert sich in all diesen Bereichen auf nationaler Ebene mit eigenen Projekten, PR- und Sensibilisierungskampagnen, politischem Engagement, einer nationalen Anlaufstelle für Survivors sowie der Bereitstellung von finanziellen Mitteln. Mehr Informationen unter www.kinderkrebs-schweiz.ch

Autor*in

Alexandra Weber

Kinderkrebs Schweiz

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